Mein ganzes Erwachsenenleben lang wohne ich nun schon in der Stadt. Als Kind und Jugendliche konnte ich mir das nicht vorstellen, sehnte mich aber nach den Möglichkeiten: Kino, Kneipen und Cafés. Bibliotheken, Buchläden - und jede Menge Menschen. Die Stadt, in der ich lebe, bietet all das. Sie ist nicht groß, mit dem Fahrrad oder sogar zu Fuß bin ich schnell draußen. Und ich weiß, wo diese ruhigen Flecken sind, an denen man nur noch den Wind hört und vielleicht entferntes Hundegebell oder Stimmen. War mir früher das Dorfleben manchmal zu eng, so suche ich jetzt die Weite der Landschaft. Empfinde es als wohltuend, zwischen Feldern und Wäldern dahinzustreifen, den Blick und das Herz ganz weit. Für eine Weile genieße ich das Alleinsein abseits des Stadtgetriebes, wo die Überfüllung zum Dauerzustand geworden ist. Ich habe mir Brotzeit eingepackt, sitze auf einer Bank. Vor mir der sanft ansteigende Weg. Und dann entdecke ich sie: Überall Menschen, als Punkte am Horizont. Menschen mit Hunden, Menschen mit Rädern. Menschen allein und zu zweit. Beim Joggen oder gemütlich dahinspazierend. Manche wünschen mir im Vorübergehen einen guten Appetit, lächeln mich an. Andere nehmen ihre Hunde näher bei Fuß. Und schon freue mich mich wieder, nicht ganz allein zu sein. Wann genau beginnt das eigentlich wieder, dass Fremde einander grüßen und vielleicht auch ein paar Worte wechseln? Wie groß muss der Abstand sein, von der Stadt und zwischen den Menschen? Ich mag es, die weite Landschaft um mich zu haben und doch nicht allein zu sein. Ich mag es, wenn sie als dunkle, sich bewegende Umrisse auftauchen: Menschen am Horizont. Menschen, die wie ich diese ganz spezielle Lichtstimmung an einem Januarnachmittag genießen - kurz nach der Wintersonnenwende, an denen man aber spürt, dass allmählich das Licht zurückkommt. Menschen vor dem leuchtenden Blau des Himmels, bevor die Sonne hinter den Bäumen verschwindet. Ich sehe einen Mann und eine Frau, ihre Silhouetten wie ein Scherenschnitt. Und da, auf der anderen Seite, eine ganze Familie. Ihre grellbunten Jacken wie Stecknadelköpfe vor dem Grün der Wiesen. Menschen am Horizont: Sie geben mir das Gefühl, dass im Augenblick alles gut ist, egal wie durcheinander die Welt sein mag. Menschen mit all ihren Geschichten, mit ihrem Leben und einem Lächeln auf dem Gesicht, während sie das Sonnenlicht einatmen.
... mit einem Beitrag von mir.
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den süden auslassend das weite suchen
die augen im grün
und nähe finden
routinen und routen gehen
ins detail
von grashalm zu grashalm
Es heißt ja SchreibWERKSTATT und das kann man ruhig wörtlich nehmen: Kurz vor Weihnachten und zwischen den Jahren habe ich hier umgebaut, gebohrt und geschraubt. Auf das Ergebnis bin ich mächtig stolz. Endlich habe ich eine Lösung gefunden, bei der ich meinen einsamen Schreibplatz mit wenigen Handgriffen in einen Gruppenraum für sechs Personen (plus Leitung) verwandeln kann und wieder zurück. Es gibt eine große, weiße Tischplatte (analog zum inspirierenden weißen Blatt) und einen süßen kleinen Anbautisch aus Naturholz mit den perfekten Maßen, den ich je nach Bedarf dazu- oder wegstellen kann.
Gleich nach Silvester setzte ich einen Neujahrsvorsatz um und dübelte das Whiteboard an die Wand, welches bisher auf einer wackeligen Pseudo-Staffelei gestanden und dabei viel Platz gefressen hatte. Nach den wenig ermutigenden Worten meines Vermieters wollte ich schon wieder aufgeben - aber nur beinahe, denn mein handwerklicher Ehrgeiz war entfacht. Ich packte also die Schlagbohrmaschine aus, die ich anno 1995 als Studentin bei einem Discounter erstanden habe - nicht gerade das Highlight unter den Bohrgeräten. Auch mein Bohrersatz ist schon ziemlich abgenudelt ... schließlich brauche ich beides nur alle heiligen Zeiten. Dann nehme ich mir regelmäßig vor, mich endlich besser auszustatten. Was ich nach erfolgreicher Heimwerkerei schnell wieder verdränge.
Bei dem ersten Dübelloch fühlte es sich an, als würde ich mit einem Zahnstocher in einem Stahlträger popeln. Doch immerhin löste sich kein tellergroßer Krater aus dem Putz (das, was ich am meisten fürchte). Vielmehr dauerte es 20 Minuten, bis ich das Bohrloch weit genug vertieft und verbreitert hatte - ich fange immer mit dem kleinsten Durchmesser an, egal wie dick der Dübel ist. An der rechten oberen Ecke wiederholte sich das Ganze: gefühlter Fels, 15 Minuten. Dafür befand sich rechts unten offenbar nur Luft. 20 Sekunden und ein Hauch von Ziegelstaub. Erst das vierte Loch leistete nicht zu viel und nicht zu wenig Widerstand.
Es grenzt an ein Wunder, dass die Dübel 1.) halten und 2.) auch noch an den richtigen Stelle sitzen: Versucht ihr mal, mit zwei Händen eine 120 x 90 cm große Platte einigermaßen waagrecht an die krumme Wand zu halten (aber so, dass nicht das ganze Gewicht an dem ersten, einzigen Dübel hängt) und gleichzeitig noch die Bohrlöcher für die drei anderen Ecken mit einem Bleistift anzuzeichnen ... Doch was soll ich sagen: Nach zwei Wochen hängt das Dingens noch immer fest im Blickfeld der Kursteilnehmenden. Allerdings ist es an der Wand ein wenig dunkel. Das nächste Projekt steht also schon ins Haus: Mission "Beleuchtung". Vielleicht lege ich mir dann endlich mal einen neuen Satz Bohrer zu.
Das Zugabteil, ein magischer Raum
voller Möglichkeiten:
die Ankunft, die Wagenreihung,
der Einstieg, die Abfahrt.
Die Suche nach dem reservierten Sitz
Platz nehmen, Zeit haben.
Die Jacke, der Koffer, der Rucksack, die Thermoskanne.
Am Fenster sitzen, ja:
Der Platz neben mir ist noch frei.
Bis eben.
Mit eng an den Körper gedrückten Ellenbogen
das Notizbuch aus der Tasche nesteln.
Den Blick in die Landschaft schicken
und dann so schreiben
als ob niemand mitlesen könnte.
Die Intimität des Mitlesens ist größer als die des Mithörens
Gedanken auf Papier geheimnisvoller
als jedes Handygespräch.
Dialog mit dem Unbekannten.
entstanden an einem poetischen Novembertag mit Barbara Krohn
Der Drill beginnt am Morgen.
Den Startschuss macht der Wecker.
Schnell links aus dem Bett gerollt.
Robben zum Kaffeekocher.
Intensives Zähneschrubben unter dem harten Strahl der Dusche.
Heftiges morgendliches Gefecht mit dem Gatten: Touché.
Dritter Stock runter.
Rauf aufs Fahrrad, schon wieder zu spät.
Rote Ampel mit Blick auf Blaujacken umfahren.
Treppen hochspringen.
Kotau vor dem Chef.
Harter Handkantenschlag auf den defekten Computer.
Einarmiges Reißen des Telefonhörers.
Endlich Pause.
Büroschlaf
Und ich befürchtete schon, ich brauche sie gar nicht: Die mitgebrachten Trekkingstiefel und die Wanderkarte aus dem örtlichen Tourismusbüro. Doch der Fernsehturm nördlich von Pécs lockt unübersehbar, beim Durchstreifen der Stadt taucht er immer wieder unvermutet im Hintergrund auf oder hüllt sich geheimnisvoll in Nebel. Und heute zog ich endlich los, bei stabilem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen. Die erste Etappe auf den Havihegy brachte mich ganz schön ins Schnaufen und Schwitzen - man kann eben nicht ungestraft drei Wochen lang hauptsächlich schreiben und nur zum Besichtigen und Kaffeetrinken vor die Tür gehen :-) Doch bei der tollen Aussicht vergaß ich die mangelnde Kondition, und unterhalb der Kapelle Maria Schnee legte ich eine Teepause ein und genoss den Blick über die Stadt. Nachdem ich noch einen Blick in das Innere der Kapelle geworfen hatte, ging ich weiter zum Tettye-Platz mit den Ruinen eines bischöflichen Sommerpalastes. Rund um die Parkanlage gruppieren sich Biergärten, Restaurants und ein Arboretum, d.h. ein botanischer Garten, der überwiegend mit Gehölzen bestückt ist. Ich habe diesen außergewöhnlichen Park auch schon besucht - allerdings vertrieb mich an diesem Tag ein Gewitter vom Berg. Heute war die wichtigste Einrichtung am Tettye tér aber der Tom-Laden. Diese Tante-Emma-Läden gibt es hier an jeder Straßenecke und sie haben fast immer geöffnet, wenn man sie braucht. Ich kaufte mir also eine Flasche Wasser und ein Mohnhörnchen und fand den Einstieg zu einem schönen, schattigen Wanderweg - bald deckten sich auch die Markierungen mit meinem Kartenmaterial (gelber Balken) und ich gelangte zum Dömörkapu bzw. zu einem großen Parkplatz. Zum einen befindet sich hier die "Bergstation" der kleinen Mecsek-Waldbahn, deren Schmalspurgleis zum Zoo hinunterführt, der - wie ich gerade erfahren habe - nach zweijähriger Umbaupause erst dieses Wochenende wiedereröffnet wurde.
Statt in die Bahn zu steigen, machte ich einen Abstecher zum Rastplatz Flóra. Allerorten brannten schon gemütliche Lagerfeuer und am Hang hoch über dem Tal lagerten zwei Mountainbiker wie im schönsten Tourismusprospekt. Die Anhöhe bietet nämlich einen wunderbaren Ausblick auf die Landschaft nördlich von Pécs - endlose grüne Bergrücken und stillgelegter Tagebau. Und dann folgte ich wieder dem gelben Balken bis zum Fernsehturm auf der Misinahöhe. Der Turm ist etwa so alt wie ich und das höchste Gebäude Ungarns, so steht es im Aufzug zu lesen. Ob das noch aktuell ist, weiß ich nicht - die Aussichtsplattform befindet sich gut 80 Meter über dem Boden, also hoch genug ... aber seht selbst. Genau: die Bilder dieses Tages sprechen für sich. Für den Rückweg suchte ich mir eine etwas kürzere Strecke aus (vom Fernsehturm mehr oder weniger geradeaus bergab), kam beim Französischen Denkmal heraus und schlug dann doch noch einen Haken zurück zum Tettyepark, wo ich den Abend auf der Terrasse eines Weinlokals ausklingen ließ. Mit Blick auf den Felsen am Havihegy und das krasse Kruzifix von Sándor Rétfalvi.
Auf dem Heimweg verfiel ich in Melancholie: Das intensive Licht, das endlose Blau des Himmels, die Rosen an den goldenen Fassaden - und das Bewusstsein, dass sich bald die Schatten in den sonntagsstillen Gassen ausbreiten ... ein Glück, dass es Frühsommer ist und uns noch viele, längere Tage bevorstehen.
das Öffnen und Schließen
der Plätze
wie die Schalen einer Muschel
meine Augen ihr Ligament
der Fuß stößt sich ab
und ich schwimme
im fremden Sprachraum
zwischen den Kiemen
Wörterperlen
verborgenen Sinnes
und schön
Pécs, 3. Mai 2016
Kossuth tér
Oft habe ich aus Sehnsucht geschrieben, aus dem Gefühl eines Mangels. Doch wie man sieht, mangelt es mir hier an nichts, und Fernweh steht auch nicht zur Verfügung. Ich muss mir also andere Inspirationen suchen - davon gibt es zum Glück mehr als genug. Heute wagte ich mich zum ersten Mal durch die Stadttore, erklomm den Kalvarienberg und erkundete die weniger aufgemotzten Straßen und Gassen. Da waren natürlich die prächtigen Fassaden, aber auch der Boden erzählt so seine Geschichten - in Schichten sozusagen. Und jetzt lasse ich auch schon die Bilder sprechen ...
Vor bald einem Jahr ging mein gut 20 Jahre alter Trekkingrucksack mit mir auf die letzte große Fahrt: drei Wochen Britrail Ticket in Südengland und Wales. Seit er zerbröselt ist, habe ich mich davor gedrückt, ihn zu ersetzen. Doch am 1. Mai breche ich für vier Wochen nach Südungarn auf: zum Internationalen Stipendium Oberpfälzer Künstlerhaus im Pécs Writers Program. Es musste also ein neuer Großraum-Rucksack her. Oder ein Rollenkoffer. Oder eine Reisetasche. Am liebsten alles zusammen - diese Modelle gibt es zwar, doch sie sind rar und teuer, außerdem ist die Multifunktionalität ein fauler Kompromiss - für eine mehrtägige Hüttentour taugen sie trotz Tragesystem nicht. Es dauerte eine Weile, bis ich mir eingestand: Ich brauche keinen 90-Liter-Rucksack mehr. Nie wieder. Für die paar Meter am Bahnhof oder vom Zug zum Taxi ist ein Trolley praktischer, und man fegt damit auch keine Mitreisenden vom Perron. Also strich ich die Rucksackfunktion von der Anforderungsliste. Doch die Rollenkoffer wirkten spießig, die meisten Reisetaschen zu stylish, zu sportlich oder zu schrill. Schließlich fand ich doch noch eine schöne Tasche auf Rädern: Geradlinig, schwarz und blau. So genanntes "Weichgepäck". Bin ich ein Weichei geworden? Ach was. Der Abschied vom Trekkingrucksack birgt nur so viele andere Abschiede: Abschied von dem wilden Leben, in dem ich nach einer Nacht auf der Isomatte noch ohne die Hilfe einer Physiotherapeutin aufstehen konnte. Und zwar gut erholt. Abschied von den Zeiten, als ich noch am Stück 1.000 Höhenmeter zu Fuß überwinden konnte und anschließend aus Versehen einen Umweg von zwei Stunden ging. Abschied vom Leben mit leichtem, schwerem Gepäck. Aber es muss ja kein vollständiger Abschied sein: Ich habe ja noch den 40-Liter-Rucksack für die kleineren Touren; mehr kann mein Rücken ohnehin nicht tragen. Und der Taschentrolley hat zwei sehr stabile, große Henkel, die man zur Not als Rucksackriemen nutzen kann ...
ein Flirren von Verkehr und Hitze
36 Grad im Schatten
den es nicht gibt
und 60 km/h auf dem
Asphalt
weiße Streifen, die bei Grün
die Brandung teilen
ohne Gischt
Musik aus beweglichen Innenräumen daneben
Motoren und Rollgeräusche
scharfe Strahlen kratzen
an Fassaden und mulchen
den Gehsteigrand
unbeteiligt die Haltestelle
ohne Bus
ohne Fahrgäste
bei Rot
steht die Zelle
im Vakuum
bereit an der einsamsten
aller Straßen
eine Sekunde
fern tauchen Hügel
ins Silbergetüpfel
die Augen diesseits
am Strand bei den nackten
Sohlen auf Kies
wo die Wellen landen
zwischen Blütenperlen führt der Weg
am Wasser entlang
wo gespitzte Segel
den Himmel rammen
bis Dunst entweicht
Gestern habe ich es auf ungefähr 15 Kilometer gebracht - zu Fuß in Etappen von jeweils 3 Kilometern; früh, mittags, abends. Der Schnee machte mir das Radfahren zu gefährlich und den Bus nehme ich nur im Notfall. Und heute? War ich zum Langlaufen querfeldein an der Donau! Mit einem Abstecher quer durch den kleinen Park voller Glitzerschnee bis an den Weinweg, denn der Badebereich an der Schillerwiese wird ja gerade umgebaut und eine Teilstrecke des Donauradweges ist gesperrt. Beim Langlaufen war ich übrigens nicht die einzige: Bald nach dem Einstieg an der Autobahnbrücke beim Pfaffensteiner Wehr stieß ich auf eine weitere Spur, und einmal hatte ich sogar Gegenverkehr. Trotzdem, das Schilaufen mitten in Regensburg lässt die Leute aufschauen und man kommt ins Gespräch. So bestätigte mir eine Dame, dass sie schon einmal eine gespurte Loipe im Stadtwesten gesehen habe. Und meines Wissens verfügt das Gartenamt auch über ein Spurgerät. Eine kleine Recherche fördert einen Loipenplan von 2013 zutage, mit Strecken auf den Winzerer Höhen oder von Kareth nach Tremmelhausen. Traumhaft muss das sein! Nur leider ist es selten, dass in Regensburg einmal ausreichend Schnee fällt und dann auch noch liegen bleibt. Heute jedenfalls fing er nach einer Stunde auch schon wieder an zu kleben - Spaß gemacht hat es trotzdem und die neue Langlaufausrüstung ist eingeweiht! Morgen probiere ich es auf den Radlweg zwischen Wenzenbach und Falkenstein - natürlich nur auf einer Teilstrecke dazwischen ;-)