Schreiben als Fixpunkt

regensburg schriftsteller bodensee

 

Türkisblaues Wasser, die Weinberge, der weite Blick, sanftes Schaukeln auf dem Wasser während einer Minikreuzfahrt, ein Glas Rosé bei Sonnenuntergang.

Urlaub am Bodensee - eine traumhafte Woche. Aber.

Ich habe die erste Woche der bayerischen Sommerferien erwischt. Und natürlich herrscht reger Betrieb. Überall quengelnde Kinder, gequälte Eltern, mäkelige Mittelalte am Fähranleger, an der Seilbahn-Talstation, der Aussichtsterrasse, der Museumskasse. Und ich selber mittendrin. Plötzlich kommen sie mir gar nicht mehr so glücklich vor, die anderen und ich - sondern vielmehr kindlich und verweichlicht: Wir haben Urlaub und alles soll schön sein. Missempfindungen haben da keinen Platz, sofortige Bedürfnisbefriedigung ist angesagt. Noch ein Eis, ein Stück Kuchen oder Mittagessen an einem schönen, ruhigen Platz... und hundert andere Menschen, die sich das Gleiche wünschen. Ich spüre, wie auch mich ein Sog erfasst. Es tut mir gar nicht so gut, mich "einfach treiben" zu lassen - mein innerer Kompass ist noch vom Alltag zugemüllt.

Dabei möchte ich einfach nur zur Ruhe kommen. Zu mir. Spätestens das ist der Moment, in dem ich mich ans Schreiben erinnere. Erst halte ich ebendiese Empfindungen fest. Dann das, was um mich herum geschieht. Ich beobachte die Menschen, die kommen und gehen. Wie sie aussehen, wie sie sich verhalten. Woher sie kommen, wie sie auf mich wirken. Und die Räume um mich her. Die Worte verankern mich in der Realität und gleichzeitig schaffe ich mir einen Gedanken-Raum, in dem ich ganz bei mir selber bin - egal, wie dicht die Tische um mich herum besetzt sind. Und ich werde ehrgeizig bei der Suche nach dem richtigen Wort, der richtigen Beschreibung. Welche Farbe haben diese Sessel im Hotel? Ermattetes Weinrot, Flaschengrün? Und die Bar - ist das Klavierlackimitat?

Urlaub heißt ja: Sitzen und Beobachten können, ohne besonderes Ziel. Dann steigen Gedanken, die sonst vom Alltag zugedeckelt sind, an die Oberfläche. Ideen, Programmatisches. Sehnsüchte und Selbsterkenntnisse. Und vielleicht auch ein bisschen Poesie. Oder, ganz pragmatisch: Beschreibungen und Szenen, die sich später in einem Text verwenden lassen. Vielleicht sogar der Ausgangspunkt für eine Kurzgeschichte oder eine spannende Figur.

Im Alltag funktioniert es auch - das habe ich letzte Woche in meiner Schreibwerkstatt wieder erlebt. Zehn Schreibbegeisterte schwärmten aus, um den Sommer in der Stadt zu schreiben - und kamen mit wunderbar detailreichen, feinen Beobachtungen zurück. Und wenn es nur ein Wolkenfeld ist, das der Wind südostwärts treibt.