Heute mache ich blau, lasse mich treiben. Es beginnt mit einigen längst fälligen Erledigungen. Zuerst zur Post - nicht zu irgendeiner Postfiliale, sondern zum Zentralen Postamt in der Jókaistraße; 1902-04 im eklektischen Stil erbaut (das bedeutet eigentlich nichts anderes als Stilmix, hier vor allem Jugendstil und ein bisschen Renaissance) und mit Keramik aus der Zsolnay-Fabrik geschmückt. Manche Reiseführer sprechen gar von einem Postpalast. Ich nähere mich durch die Citromstraße und von dort kann ich die Größe des Baukörpers und das herrliche emaillierte Dach gut erkennen. Es ist einer dieser Momente, in denen ich lieber genießen als fotografieren möchte, und so kann ich hier tatsächlich kein Bild anbieten. Das möchte ich noch nachholen ... einstweilen könnt ihr hier einen Eindruck vom Postpalast gewinnen.
Nach einer kleinen Zeitreise durch die Postgeschichte im Eingangsbereich stolpere ich fast automatisch in die große Schalterhalle neben dem Automaten, wo man eine Nummer ziehen muss. Ich habe die Auswahl zwischen ungefähr zehn verschiedenartigen Anliegen, allein: bis auf Western Union verstehe ich nichts. Auch die Vokabel belyég aus dem Onlinewörterbuch ist auf dem Display nicht zu finden. Zum Glück erfahre ich von einer jungen Frau, dass Briefmarken in dem kleinen Shop nebenan erhältlich sind. Auch dort eine lange Schlange und also für mich genügend Zeit, mir ein paar Begriffe aus dem Reisewörterbuch zurecht zu klauben. Die Dame am Schalter wirkt leicht genervt und beherrscht in etwa so gut Englisch wie eine durchschnittliche bayerische Postagenturangestellte wahrscheinlich auch. Erschwerend kommt hinzu, dass ich nur fünf Postkarten kaufe, dazu aber zehn Briefmarken will! Die Dame vergewissert sich mit Hilfe ihrer zehn Finger über meinen Wunsch und so kommen wir glücklich ins Geschäft. Nach den Luftpostaufklebern wage ich mich trotzdem nicht mehr zu erkundigen.
Wie einfach dagegen läuft es am Bahnhof, wo ich an einem Schalter für internationale Tickets die noch fehlende Reservierung Kelenföld-Linz für die Rückfahrt kaufen kann. Beeindruckend auch die öffentliche Toilette: Eine vergnügte Rezeptionistin stempelt einen Zettel von der Größe eines halben Klopapierblattes - die Quittung für die 120 Forint Benutzungsgebühr - und weist mir einen Platz auf der sauberen, modernen Toilette an (bzw. die richtige Tür dorthin).
Anschließend würdige ich die Schönheit des Bahnhofs sowie die österreichischen Durchsagen und sehe mich dann noch auf dem Bahnhofsvorplatz bei den Bussen um. Am westlichen Ende befindet sich ein Kleinod mutmaßlich sozialistischer Baukunst (man beachte auch die farbliche Abstimmung der Busse), in dem ich nach einigem Suchen den (kostenlosen) Linienplan bekomme. Eine weitere kompetente Bahnmitarbeiterin gibt mir den Tipp.
Und dann verliebe ich mich tatsächlich ein bisschen in die Gegend um den Bahnhof. Über die Busse hinweg sind der Fernsehturm und die Hänge des Mecsek-Gebirges besonders gut zu sehen, und in den Seitenstraßen zwischen den Magistralen gibt es stattliche Häuser mit viel Grün drumherum; über einem Balkongeländer hängen Teppiche und darauf hat es sich eine Katze bequem gemacht. Und die Szabadság u., die in Richtung westliche Altstadt führt, weist zwar alle Merkmale einer Bahnhofsstraße auf - blinkende Lichter, Telefonläden, Schnellimbiss - , trotzdem lässt es sich dort gemächlich schlendern.
Und dann gibt es da noch den Paprika és Böllerbolt, der mir auf dem Hinweg schon aufgefallen ist - wegen der Namensähnlichkeit zum Böller Altstadtmarkt in Regensburg :-) Der Laden in Pécs ist ein Paradies voller Gewürze, Tee und Teigwaren; Messer, Bindfäden und Bolzenschussgeräte gibt es auch und daneben hängen Würste. Die sehr nette Frau dort berät mich mit Hilfe weniger, aber ausreichender gemeinsamer Schlüsselbegriffe - immerhin weiß ich inzwischen, was Thymian heißt, und identifziere den Erkältungstee (den seht ihr im Titelbild). Sicherheitshalber huste ich der jungen Frau noch etwas vor und sie bestätigt lachend meine Wahl. Auch das Onlinewörterbuch muss wieder einmal herhalten, manche Kräuter erkenne ich auch am Aussehen. Dann kaufe ich noch ein paar Gewürzmischungen, extrascharfen Chili und natürlich süßen Paprika (diesen Ausdruck kennt die Händlerin auf deutsch).
Am liebsten hätte ich gefragt, ob ich von all dem noch ein Foto machen darf, doch da betritt schon eine ältere, liebenswürdig aussehende Dame den Laden. Deshalb lasse ich es gut sein und ziehe mit meinem Tee- und Gewürzpäckchen, vorbei am Naturwissenschaftlichen Museum und mit einem Zwischenstopp im Kaffeehaus Next step coffee (hier schmeckt mir der Kaffee bis jetzt am besten), zur Türbe des Idris Baba aus dem 16. Jahrhundert. Eine Türbe ist ein muslimisches Mausoleum und Idris Baba soll ein Kräuterkundiger gewesen sein, genau wie meine freundliche Teehändlerin. Anschließend treibt mich ein scharfer Wind zurück in die Altstadt, und ich nehme endlich die Museumsstraße bewusst wahr, die ich bei meinen bisherigen Stadtspaziergängen irgendwie immer ausgelassen habe - dabei zählen die Museen rund um die Káptalan u. (Kapitelgasse) zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt und sind kaum zu übersehen: Die Kunstmuseen Csontváry Museum, das Vasarely Museum und das Zsolnay Museum bilden mit weiteren Ausstellungshäusern der Stadt das Janus Pannonius Múzeum. Das eine oder andere davon werde ich mir sicher ansehen - allein oder zusammen mit meinem Besuch aus Regensburg, der sich für Ende Mai angekündigt hat.
Und weil dieser Tag wirklich kräftezehrend war, kehre ich anschließend noch in dem Döner-Restaurant Jam ein - danke für den Tipp, Károly :-)
Und wenn sich das hier langsam wieder liest wie ein Gastroführer: Das Kulinarische gehört zur Kultur, oder etwa nicht? :-)