Ankunft in Pécs

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Nun bin ich also hier. In Pécs. Weit im Südosten - von zu Hause aus gesehen. Gute zehn Stunden flog ich im Zug unter tief hängenden Wolken dahin. Beim ersten Zwischenstopp in Linz wehte mir ein kalter Wind um die Ohren, bald darauf sagte ich mein erstes ungarisches Wort: Köszönöm. So bedankte ich mich bei der Ungarin, die wirkte, als hätte sie mir persönlich den reservierten Sitzplatz freigehalten, während ich mich geduldig durch Rentnergruppen und Kofferberge kämpfte. Und ich war stolz, zumindest dieses eine Wort schon mal erfolgreich angewendet zu haben! In Budapest-Kelenföld sah der Himmel ähnlich aus wie in Linz, aber die Luft war mild und frühlingswarm, und ich saß vor (oder hinter?) dem Bahnhof auf einer Bank.

Den ganzen Tag über schaute ich aus dem Fenster und hing meinen Gedanken nach. Nur einmal vertiefte ich mich kurz in ein Buch. Als ich wieder aufsah, waren die Fensterscheiben nass. Dunkelgrau trommelte der Regen auf das Zugdach, während der Zug in Dombóvár geteilt wurde. Ein ein angenehmer Wind wehte herein und milderte die erkältungsbedingte Hustenattacke. Die Bahnbediensteten draußen in leuchtendem Orange, die Kapuzen bis knapp über die Augen gezogen. Ankunft in Pécs kurz vor acht Uhr abends, es war schon fast dunkel. Wie schön, dass ich von meinen freundlichen Gastgebern abgeholt wurde: Károly und Enikő organisieren seit bald zehn Jahren ehrenamtlich das Pécs Writers Program. Beide sprechen sehr gut deutsch, was mir den Start natürlich enorm erleichtert. Eine kurze Fahrt im Auto, ein paar erklärende Worte, und die Wohnung gehörte mir. Ich kochte Erkältungstee, packte ein wenig aus und legte mich schlafen, das stetige Tropfen des Regens vor den Balkontüren.

Heute frühes Erwachen zum gleichen Geräusch. Wieder Teekochen und erstaunlich wenig Lust, rauszugehen. Dabei mag ich den Regen! Und natürlich war ich neugierig auf die Stadt. Doch die Erkältung bremste mich, und ich war einfach nur froh, nach der Hektik vor der Abreise endlich durchatmen zu können und keine bestimmten Pflichten zu haben. Doch das Klopapier war aus und so duldete der erste Einkauf keinen langen Aufschub. Ich brauchte nur einmal um die Ecke zu biegen, und schon stand ich mitten in der Altstadt auf der Kiraly utca. Über Sprachbarrieren hätte ich mir keine Sorgen zu machen brauchen: Das Sortiment im Drogeriemarkt bot einen vertrauten Anblick, und die Verkäuferin war sehr nett zu mir. Dabei hatte ich nur wenige ungarische Silben auf der Zunge und wusste oft nicht mal, ob und wie sie auszusprechen waren - wenn sie mir nicht ohnehin im Hals stecken blieben, weil mir die Erkältung mir auf die Stimme geschlagen hatte.

Auch im Gemüseladen kam ich gut zurecht. Der Anblick von Tomaten ist selbsterklärend und das Wort Paradicsom eigentlich auch. Nur die Währung ist gewöhnungsbedürftig: 1,50 Euro sind ungefähr 400 Forint ... Dafür gibt es zum Beispiel einen Cappuccino, der auch hier so heißt (wie praktisch).

Nach dem erfolgreichen Einkauf richtete ich mich endgültig an meinem kleinen Schreibtisch ein. Die nicht benötigte Tastaturschublade fasst die Laptophülle und den Keksteller, es gibt WLAN und genügend Steckdosen - und es ist wunderbar still und hell hier im Hinterhaus.

Womit beginnen? Schließlich bin ich zum Schreiben hier und nicht etwa aus touristischen Motiven. Ich schrieb meine Aufgaben auf kleine Klebezettel - Blogartikel schreiben, Altes Überarbeiten und Neues dichten - und heftete sie an die Innenwand meines Schreibtisches. Als erstes öffnete ich ein älteres Manuskript.

Und dann kam der neue Duschvorhang: Weiß und fein strukturiert wie ein Brautschleier wird er fortan verhindern, dass ich beim Duschen das Bad flute - ein willkommenes Accessoire. Das Anbringen freilich war mit einer gewissen Geräuschkulisse verbunden und anschließend ging es in der Nachbarwohnung weiter. Für mich das Signal zum Aufbruch: Ich wollte ja sowieso noch einmal in die Stadt. Also raus in den warmen Regen, vorbei an Cafés (eines zu betreten konnte ich mich noch nicht entschließen) bis zum Széchenyi Tér, der von der Moschee Gazi Khassim dominiert wird. Von dort aus weiter zur Kathedrale, während der Regen zuverlässig eine heimelige, verwunschene Stimmung über die Stadt legte.

Als es aufklarte, ging ich ins Café Fragola und trank zwei Cappuccino. Dabei schrieb ich sogar ein Gedicht. Es ist noch nicht so ausgegoren, dass ich es hier präsentieren möchte. Nur so viel: Es kommen Kastanien darin vor. Mächtige, prächtige Schutzbäume, grüngetränkt und mit weißen und rosafarbenen Blüten.

Der Anfang ist gemacht!