Ein Dorf in Frankfurt: Ginnheim

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Es sind nicht meine Erinnerungen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass die Fahrt nach Frankfurt-Ginnheim immer schon eine kleine Zeitreise war. Gut zwanzig Minuten mit der Straßenbahn, und man ist nicht mehr in der Bankenmetropole, sondern in einem kleinen beschaulichen Dorf mitten in der Stadt. Das höchste und markanteste Gebäude, das man von hier aus sieht, ist der Ginnheimer Spargel oder auch Europaturm, dessen Spitze nachts magentafarben leuchtet. Ginnheim selbst an einem Freitagnachmittag im August: Eine Feierabend-Oase; köstliche Gerüche und Geschirrgeklapper aus dem Gasthof Adler. Mein Begleiter kennt den kroatisch geführten Gasthof noch aus "seiner" Frankfurter Zeit, und auch das Fahrradhaus Wagner gibt es noch - seit 1929 schon. Vorbei an schief herunter gelassenen Jalousien, die stille Straße hinunter, kurz anhalten und einen Feierabendradler vorbeilassen, an der Kreuzung bei der kleinen Kirche - und wieder bleibt mein Blick an einem öffentlichen Automaten hängen. Diesmal keine Telefonzelle, sondern ein Automat - für was eigentlich? Kleine Figürchen, vielleicht auch Kaugummi. Ein abgerissener Aufkleber, jetzt auf SUPER... was? Das wird für immer ein Geheimnis bleiben. So super sieht der Metallkasten ohnehin nicht mehr aus. Wahrscheinlich hat hier schon lange keiner mehr seine Münzen hineinversenkt in der Hoffnung auf eine kleine Überraschung. Braucht die Welt keine Überraschungen mehr? Ist so ein Jahrmarktvergnügen sinnlos und langweilig geworden? Und warum hängt der Kasten dann noch da? Wahrscheinlich, weil er von der Modernisierung vergessen wurde, so wie auch dieses gemütliche Stadtviertel im wesentlichen immer noch so daliegt wie vor fünfundzwanzig Jahren. Viel Grün, viel Fassade, ein wenig bröckelig. Manches an der Grenze zum Heruntergekommenen, doch die Abendsonne vergoldet alles. Auf einen Apfelwein und Grüne Soße (die in der Innenstadt mittlerweile auch als Salsa Verde deklariert wird) in den Adler. Oder ein Cevapcici.