Wie die Sommerzeit zur Schreibzeit wird

Die heißen, hellen Tage und warmen Abende ziehen dich nach draußen ans Wasser und in den Schatten. Du bewegst dich nicht mehr als notwendig, und auch geistige Anstrengung fällt jetzt schwer. Etwas schreiben, nur so zum Vergnügen - das ist wohl doch eher was für neblige Herbsttage, denkst du... Oder? Gerade der Sommer zwingt zur Langsamkeit, lädt ein zum Dösen und absichtslosen Dahintreiben. Ideale Bedingungen dafür, dass Kreativität sich zeigen kann - wenn du nur ein wenig offen dafür bist. Hier ein paar Tipps, wie du dich in einen "empfänglichen" Zustand versetzen kannst, der Sommer-Schreibideen sprudeln lässt:

 

Die Trägheit des Sommers nutzen
Die Hitze dringt in die Tiefen deiner Muskeln vor und legt dich beinahe lahm - dann nimm etwas zu trinken, dein Notizbuch und eine Strandmatte, und lege dich unter einen Baum. Schau in den Himmel über dir: Erkennst du Muster in den Blättern? Welche Form haben die Wolken, und ist da vielleicht ein Flugzeug mit Kondensstreifen? Schließe die Augen und spüre die Wärme, das sinnliche Gefühl auf deiner Haut. Lass deine Gedanken schweifen. Träume. Träume von der Sahara, von heißem Sex, von einem Segelboot. Vielleicht erscheint eine Figur, die deine nächste Geschichte tragen kann. Oder dir kommt eine Idee für ein Gedicht. Notiere einige Wörter und Sätze. Später kannst du damit arbeiten.

 

Die Welt (neu) sehen
Bewege dich langsam, der Hitze angemessen. Woran merkst du, dass es Sommer ist? Wie verändert sich deine Umgebung? Neulich fuhr ich zum Beispiel mit dem Fahrrad hinter einem Mann her, den ich als Touristen einordnete - unter anderem wegen seines Schlapphuts und der kurzen Hosen mit den vollgestopften Cargotaschen. Vor allem aber wegen der urlaubsmäßigen Langsamkeit. Seine Art einen Fuß vor den anderen zu setzen war so seltsam, dass ich dachte, er würde sich dabei rückwärts bewegen. Bestimmt kennst du auch solche flüchtigen Begegnungen, bei denen dich etwas irritiert oder belustigt. Das sind Details, die du später einer Figur andichten und mit der du sie einzigartig machen kannst. Jetzt im Sommer besuchen interessante Menschen deine Heimat - oder du bist selbst im Urlaub, in einer fremden, inspirierenden Umgebung. Betrachte die Welt mit forschenden Augen - das geht sogar auf dem Weg zur Arbeit.

 

Südliche Gefühle pflegen
Im Sommer findet viel mehr Leben auf der Straße statt, Biergärten und Caféterrassen haben Hochkonjunktur. Genieße es - verabrede dich einmal mit dir selbst! Breite ein Blatt Papier neben deiner Cappuccinotasse aus, notiere Geräusche und Gesprächsfetzen und schau, was sich in offenen Fenstern tut. Siehst du Gardinen wehen? Oder sind alle Fenster dicht verschlossen? Lehnt sich von Zeit zu Zeit jemand heraus und beobachtet wie du die Straße? Was bewegt sich hier, wie ist die Stimmung? Und wie fühlst du dich selber im Moment? Wenn du in poetische Stimmung kommst, mache eine Liste – und daraus ein Gedicht oder eine kleine Alltagsreflexion.

 

Sommergeräusche
Auch von zu Hause aus kannst du die Welt des Sommers einfangen - du musst nur auf die Geräusche lauschen: Den Schwall von Wasser, der sich abends aus dem Blumenkasten über dir ergießt. Ein bisschen was spritzt auch auf deinen Balkon. Kinder, die bis in die Dämmerung hinein Fußball spielen. Gelächter und Rufe. Die Durchsagen aus dem Freibad, die zu dir herüberklingen und das leise Rascheln der Blätter, wenn endlich ein kühlender Wind aufkommt: All das kann Geschichten in Gang setzen und sie mit Leben erfüllen. Wie der Mann, der so langsam geht, dass er sich rückwärts zu bewegen scheint.

 

Deiner Schreibstimme lauschen
Stimmungen, Geräusche, menschliche Eigenarten: Je öfter es dir gelingt, dir Beobachtungen und Gedanken bewusst zu machen, desto wacher wirst du dafür. Während du versuchst, sie in die richtigen Worte zu fassen, kultivierst du deinen individuellen Blick auf die Welt - und deine eigene Schreibstimme.