Eine völlig andere Welt

regensburg frauenroman autorin
Turm der Großen Synagoge in Pilsen, hinter einem Nachbargebäude versteckt

 

Eine Zugstunde von Regensburg entfernt - dort, wo einst die westliche Welt zuende war - beginnt das fernste aller Ausländer, Tschechien. Bisher. Ich bin mit einer diffusen Angst vor "dem Ostblock" sozialisiert, und die Sprache war ein zusätzliches Hindernis. Doch plötzlich treten aus dem undurchdringlichen Buchstabensalat vereinzelt Wörter hervor, die einen Sinn ergeben. Wörter wie zmrzlina - Speiseis, čtvrtek - Donnerstag oder špatný - schlecht. Der Klang gefällt mir, und zu meiner Überraschung meistere ich so manch kühne Konsonantenanhäufung. Pilsen, wo ich vergangenes Wochenende einen Crashkurs Tschechisch absolvierte, gefällt mir ausnehmend gut. Es ist Regensburg ähnlich genug, um mich nicht ganz verloren zu fühlen, und ausreichend anders, um mir das Gefühl von Abenteuer und Freiheit zu geben - die breiten Straßen, die Jugendstilhäuser, die alten und neuen Straßenbahnen. Der Besuch der Synagoge ist für mich ein besonderes Erlebnis - nicht nur, weil sie die zweitgrößte in Europa ist, sondern wegen der Normalität. Es erschreckt mich immer wieder, dass gerade in Deutschland jüdische Einrichtungen noch immer polizeilich geschützt werden müssen. Vielleicht ist auch in Tschechien die Lage nicht völlig entspannt, denn Rechtsextremismus gibt es - leider - überall in Europa. Doch die Synagoge in Pilsen fühlte sich an wie ein ganz normales Gotteshaus - und ein Kulturort, in dem Fotoausstellungen und Konzerte stattfinden.