Leipziger Buchmesse

regensburg liest
Auf der Leipziger Buchmesse am 14. März

 

Geballter Literaturbetrieb, Schau- und Leselust, Verkaufsgespräche. Und für das Publikum: Lesungen, Buchvorstellungen, Interviews. Sehen und Gesehenwerden. Gleich zu Anfang stolpere ich über eine Autorin, die ein esoterisches Buch über Sex geschrieben hat. Aus dem Publikum die von Schreibenden wahrscheinlich meistgefürchtete Frage: "Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dieses Buch zu schreiben?"
Ebenso originell der Roman, aus dem eine sehr sympathische, hübsche Mittdreißigerin vorliest: Über Mittvierziger in der Krise, die offenbar nur durch drogengestützte Orgasmen zu überwinden ist. Die monotone, ausdruckslose Stimme der Autorin, laut Ankündigung auch Schauspielerin (!), vermag nicht an den Text zu fesseln. Der gelangweilt dreinblickende Moderator - oder ist es ihr Lektor? - macht es nicht spannender.

Es ist aber auch ein hartes Brot, auf der Buchmesse zu lesen: Das Getümmel des Messebetriebs, die schier unglaubliche Konkurrenz der anderen und das ständige Kommen und Gehen der Menschen, die mitunter nur dort sitzen, weil gerade ein Platz zum Ausruhen frei war.
Ich lasse mich treiben, plaudere ein wenig am Stand der IG Autoren, wo sämtliche Editionen Österreichs sich auf kleinster Fläche präsentieren, trudle weiter zum Schweizer Auftritt, lasse mir im Österreichischen Kaffehaus ein Häferl Kaffee servieren.
Dann komme ich gerade rechtzeitig ins "Café Europa", wo Tim Parks sein neues Buch vorstellt. Ich liebe sein britisches Englisch, das ich gut verstehe, und auch den Dolmetscher und die herzlich zugewandte Interviewerin. Entweder sind alle drei maximal kompetente Showprofis, oder sie mögen sich wirklich - jedenfalls wirken sie so unglaublich sympathisch, so authentisch und dabei noch humorvoll, dass ich die Veranstaltung in vollen Zügen genieße. Nicht mal so sehr wegen des Buches, das ich nachher kaufe und signieren lasse. Vielmehr fasziniert mich, wie Tim Parks über sich erzählt, über sein Schreiben, seine Meditationserfahrungen. Und was geschieht, wenn ein Autor versucht, ohne Worte auszukommen - und zwar nicht nur ohne geschriebenes, sondern auch gedachtes Wort. Eine schwere Übung, die alles in Frage stellt bis hin zur eigenen Identität, die ja, zumal bei einem Autor, immer auch eine Erzählung ist, eine Konstruktion aus Worten.
Am Ende bin ich doch ein wenig erschöpft und nehme im Messestudio von 3Sat Platz, wo ich Peter Stamm, Ursula von Arx und Adolf Muschg im Interview erlebe. Ich lerne ein bisschen über die Schweiz, ihr sprachliches Selbstverständnis und den Schmerz, den der jüngste Volksentscheid über die Zuzugsbegrenzung bei vielen ausgelöst hat. Doch wer solche Autoren und Denker(innen) hat, wird auch mit diesen Realitäten umzugehen wissen - vielleicht ist es ein Weckruf, der uns Rest-Europäern und Europäerinnen noch bevorsteht.