Die Stunde der Migranten

Sonntagmorgens um viertel nach sieben im Sechserbus: Für mich eine unübliche Zeit und ein unübliches Verkehrsmittel. Viele Menschen sind noch nicht unterwegs. Dafür aber einige, deren Vorfahren nicht unbedingt nur Bajuwaren waren - wobei die Bayern selbst im Laufe der Jahrhunderte ja auch den verschiedensten ethnischen Einflüssen aus nah und fern ausgesetzt waren. Der müde junge Mann auf dem Doppelsitz nebenan jedenfalls könnte aus Indien stammen, oder auch Pakistan. Kommt er von der Arbeit nach Hause? Er wirkt auf mich nicht so, als ob er einfach die Nacht durchgefeiert hätte. Schon gar nicht im Stadtwesten, aus dem der Bus kommt. Obwohl: Die meisten Nächte habe ich wohl in privatem Rahmen durchgemacht, im angeregten Gespräch. Vielleicht auch er. Vielleicht sind ferne Verwandte zu Besuch, und es gab ein großes Fest? Neben ihm liegt etwas, das aussieht wie ein Kellnergeldbeutel. Vielleicht muss ich deswegen ans Hotelgewerbe denken. Möglich, dass er irgendwo eine Morgenschicht beginnt. Und der andere Mann? Der, der so dunkelhäutig und wettergegerbt aussieht? Ziemlich dünn ist er. Drahtig auch. Trägt Jeans und eine Jacke, die für die Jahreszeit zu kalt sein dürfte. Später steigen ein paar schwarze Frauen zu. Was sagt es über mich, dass ich an Putzfrauen denken muss? Andererseits sind die ja wirklich oft zu nachtschlafender Zeit unterwegs - und wenn das gemeine Volk dann wach ist, glänzen Büros und Läden sauber... Vielleicht aber fahren die Frauen auch ans Klinikum und kamen als dringend benötigte Pflegekräfte ins Land. Fragen über Fragen... und nur deshalb, weil ich einmal an einem für mich ungewohnten Ort, zu ungewohnter Stunde unterwegs bin. Der Stunde der Migranten...