Texte von Teilnehmenden

Eine Schreibgruppe zu leiten ist der entspannteste Job der Welt: Ich gebe Anregungen mit Bildern, Texten, Fragen, Klängen - und die Kursteilnehmenden schreiben. Die Ergebnisse überraschen mich immer wieder und sprechen für sich. Lesen Sie selbst! Und danke an diejenigen, deren Texte ich hier veröffentlichen darf. 

Bewegung ist mein Leben

von Marianne Bischof. Aus der biografischen Schreibwerkstatt

Der Drill beginnt am Morgen.
Den Startschuss macht der Wecker.
Schnell links aus dem Bett gerollt.
Robben zum Kaffeekocher.
Intensives Zähneschrubben unter dem harten Strahl der Dusche.
Heftiges morgendliches Gefecht mit dem Gatten: Touché.
Dritter Stock runter.
Rauf aufs Fahrrad, schon wieder zu spät.
Rote Ampel mit Blick auf Blaujacken umfahren.
Treppen hochspringen.
Kotau vor dem Chef.
Harter Handkantenschlag auf den defekten Computer.
Einarmiges Reißen des Telefonhörers.
Endlich Pause.
Büroschlaf

 

Ich erinnere mich

von Jo Storm. Minuten-Texte aus der Schreibwerkstatt

Fenster
Blick in den Garten. Vom Bahnhof aus die Rückseite. Züge fahren. Blumen blühen. Es duftet schon nach Mittagessen. Ich halte eine Raupe in der Hand.

Baum
Papa hat einen Kirschbaum geschenkt bekommen. Doch wohin in dem kleinen Reihenhausgarten? Neben der Wäschespinne? Geht doch! Inzwischen blüht er jedes Jahr. Der Baum – nicht die Spinne.

Schuhe
Sie tragen mich durch dick und dünn. Sie sind Schnittstelle zum Weg. Oft misshandelt und wenig gepflegt. Aber geh mal ohne Schuhe den steinigen Weg.

Regen
Ein Landregen an der Adria. Dicke Tropfen platschen auf die Straße. Wir schauen raus. Eine frische Brise umfängt uns.

Abend
Die Sonne senkt sich. Wir sitzen am Balkon und trinken Aperol Spritz. Die Woche ist geschafft. Da laufen Flüchtlinge vorbei. So ist die Welt.

Küche
Omas Küche war phänomenal. Nur klein, aber aus wenigen Zutaten buk sie mit Zauberhand Käsekuchen für alle.

 

Neue Sachlichkeit im Kunstforum: Texte aus der Schreibwerkstatt (3)

Die japanische Gedichtform des Haiku harmoniert, obwohl wesentlich älteren Ursprungs, vorzüglich mit dem Stil der Neuen Sachlichkeit: Das Haiku ist konkret, fängt einen Augenblick ein und beschreibt (in seiner strengen Auslegung) nur das äußerlich Sichtbare.  Gefühle entstehen aus dem Raum zwischen den Worten. Es eignet sich hervorragend, um die Wirkung in Worte zu fassen, die das Bild auf die Schreiberin hat:

 

 

 

Mundwinkelrote
Farbflecken. Sogar Preise
erhält man dafür.

 

Birgit Honikel

 



Vollbrachtes Tagwerk
Schleppt sich den Hang hinunter
Eiskalte Abenddämmerung

 

Sita Angelika Völkel nach einem Bild von Carlo Mense:

Verschneiter Wald im Riesengebirge, um 1932

 

 

Neue Sachlichkeit im Kunstforum: Texte aus der Schreibwerkstatt (2)

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Text von Sita Angelika Völkel nach einem Bild von Otto Dix: Sitzender Akt mit dunklen Haaren, 1930
ostdeutsche-galerie-schreibwerkstatt
Text von Sita Angelika Völkel nach einem Bild von Konrad Felixmüller, Nackte Frau (die Dunkle), 1929

Otto Dix malte bevorzugt markante Frauen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprachen. Zu Ihnen gehörten Wally Gäbler und ein Fräulein Sonnemann.

Fräulein Sonnemanns Modell-Monolog hieß denn auch die Schreibanregung, aus der diese beiden Texte entstanden sind: Was denkt die Frau, während sie dem Meister Modell sitzt, und was empfindet sie beim Betrachten des eigenen Bildnisses? Findet sie sich schön? Fühlt sie sich fremd? Geniert sie sich? Warum hat sie eingewilligt, Modell zu sitzen, und wie denkt sie über Malerei?

 

Sita Angelika Völkel, langjährige Betreiberin der Galerie am Ölberg, hat zwei Bildnisse ausgewählt und sich vortrefflich in die beiden Modelle hineinversetzt. Vielleicht war es wirklich so - oder doch ganz anders?

 

Neue Sachlichkeit im Kunstforum: Texte aus der Schreibwerkstatt (1)

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Text von Britt Dalen Laux nach einem Bild von Georg Siebert: Eltern und Heimat (Triptychon), 1925

 

Ende November war es wieder so weit: Ich konnte eine kleine Schreibgruppe im Kunstforum Ostdeutsche Galerie begrüßen. Manche Teilnehmerinnen waren schon zum dritten, vierten Mal dabei, eine andere stieß neu dazu. Diesmal widmeten wir uns der Ausstellung Messerscharf und detailverliebt. Werke der Neuen Sachlichkeit.

 

Die Neue Sachlichkeit fand ihren Niederschlag auch in der Literatur (Werke von Erich Kästner, Mascha Kaléko oder auch Alfred Döblin sind hier einzuordnen). Daran lässt sich anknüpfen. Doch die Bilder sprechen auch für sich: Im Triptychon von Britt Dalen Laux sind Form und Bildinhalt in Text übersetzt.